Donnerstag, 1. August 2013

Der Drachenmann

Es war das erste warme Wochenende des Jahres und Drachenfestival in Sankt Peter-Ording. Wer den Strand nicht kennt, dem sei verraten, dass er riesen groß ist. Die knapp 1000 Meter lange Seebrücke führt einen von der Promenade über Priele, Dünen und Watt hin zum zuckerfeinen kilometerlangen Sandstrand. Nochmal 300 Meter weiter, vorbei an den typischen Pfahlbauten, findet man dann schließlich das Meer. Die Nordsee in wildromantischer Schönheit. Das Rauschen der Brandung mischte sich mit dem Stimmengewirr der unzähligen Menschen. Sie lagen dicht an dich, vergnügten sich mit Ballspielen, plantschten im Wasser und genossen die Sonne. 

Ich stippte meine Füße nur vorsichtig in die Nordsee. Mein Blick schweifte zum Himmel. Fast reglos hingen dort die Drachen in der Luft. Rosa Schweine, riesen Bienen, lila Eulen und die klassischen Vertreter. Ein Drachen weckte jedoch besonders meine Neugier. Er sah aus wie ein riesiges Rad. Haus hoch. Er rollte bedächtig von links nach rechts und wieder zurück. Ich war total gefesselt von diesem Anblick. Er wirkte so imposant. Den musste ich mir genauer ansehen. Ich stapfte also auf ihn zu.

Gefühlte zwei Kilometer später konnte man genaueres erkennen. Er sah aus, als wäre er aus unzähligen Regenschirmen zusammengenäht worden. Der Herr, dem er gehörte, hatte Mühe, ihn in der Luft zu halten. Ich war so fasziniert, dass ich mehr wissen wollte. Ich ging zu dem Mann und sprach ihn an. Er deutete mir, dass er gehörlos sei. Ich ließ mich nicht schrecken. Ein Strahlen ging über das Gesicht des Mannes. Sofort war er mit seiner ganzen Aufmerksamkeit bei mir. Er fing sogleich an mit Händen und Füßen mir die Geschichte des Drachens zu erzählen. Er nahm selbst den Sand zu Hilfe. Er schrieb und deutete.

Er hatte irgendwie verstanden, dass ich wissen wollte, ob der Drachen selbstgenäht war.  Er war eigenhändig zusammengenäht aus 96 Regenschirmen. Ein Jahr hatte er daran gearbeitet. 10 Meter war sein Durchmesser. Der ältere Herr sprudelte förmlich über. Mit jeder Faser konnte ich sein Herzblut für diese Leidenschaft spüren. Voller Begeisterung zeigte er mir auch noch die Wimpel vergangener Veranstaltungen an den Scheiben seines Autos. Er kramte einen weiteren Drachen hervor und zeigte ihn mir. Er bestand aus mehreren Einzeldrachen, die die Form einer Schwalbe hatten. Er erzählte mir noch, dass leider zu wenig Wind war. Die Autos würde den Wind abhalten. Wir verabschiedeten uns schließlich voller Herzenswärme und Dankbarkeit.

Ich war zutiefst berührt von dieser Begegnung. Es war eine Begegnung von Herz zu Herz.
Der Mann, der vollkommen aufblühte, weil ich ihm mit Neugierde für seine Leidenschaft begegneten und der alle Barrieren überwand, um diese zu stillen. Der mir mit seinem Teilen ein Stück seiner Geschichte schenkte. Eine Geschichte, die ich immer bei mir tragen werde. Die Geschichte vom Drachenmann.

Das ist Anerkennung.



Heute weiß ich, der Drachenmann heißt Helmut Wiech. Und bei dem Drachen handelt es sich um ein Bol-Windrad. Der zweite Drachen war der Schwalben Drachen. Unter folgenden Links kann man beide in voller Schönheit sehen.

Bol-Windrad: http://www.youtube.com/watch?v=Fl5RlpnfV0Q
Schwalben Drachen: http://www.youtube.com/watch?v=FFPkvgKjWMw

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