Sonntag, 27. Juli 2014

Vertrauen ist gut...

... und kontrollieren können wir eh nichts.

Ich habe an meinem linken Knie eine Ader, die sich wie eine Perlenkette vom Oberschenkel zum Unterschenkel zieht. Sieht aus, als hätte ich mir etwas unter die Haut transplantieren lassen.

Als ich letztens in der Schweiz an einem Bachlauf saß und über das Thema Vertrauen nachdachte, fiel mein Blick auf sie. Ich dachte, eigentlich ist es mit dem Vertrauen, genau wie mit meiner Perlenkette. Mal ist es mehr und mal ist es weniger. Aber eigentlich ist es immer da. Sonst könnten wir nicht leben. Oder nur in Angst.

Ich erinnere noch unsere Fahrt nach Frankreich. Ich hatte plötzlich das Gefühl, ich möchte mal nach Südfrankreich. Keine Ahnung warum. Also fuhren wir spontan, mit einer Matratze im Kofferraum nach Südfrankreich. Bei gefühlten 40° C im Schatten und ohne Klimaanlage.

Ich muss dazu sagen, ich war vorher noch nie in den Bergen gewesen. So als Nordlicht hatte sich die Gelegenheit bis dato noch nicht ergeben.

Ich glaube, ich war eingeschlafen. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass mich dieses Bild so plötzlich überkam. Als ich die Augen öffnete, waren wir auf dieser Straße, links der Hang und rechts die Felswand. Nur diese eine Straße. Mich beschlich ein ungutes Gefühl. Das gefiel mir gar nicht. Was war denn, wenn ich hier gar nicht sein wollte? Wenn ich einen anderen Weg nehmen wollte?

Mir stockte der Atem.

Wir machten Rast. Die Kühlbox wurde ausgepackt, alles auf dem Tisch drapiert, Obst für das Müsli geschnippelt, doch mein Blick klebte nur auf der Tischplatte. Ich konnte meinen Blick keinen Zentimeter heben. Ich hatte das Gefühl, sonst würde ich ohnmächtig. Nach zwei Minuten bin ich in den Kofferraum geklettert und hab mir die Decke über den Kopf gezogen. Hier wollte ich nicht sein. Das Dumme war nur, ich hatte keine Wahl. Nichts für mich. Mein einziger Kommentar als Entgegnung auf den fragenden Blick meines Partners: "Bring mich hier raus!"

Er schmiss alle Sachen zusammen und in den Kofferraum, legte den Vorwärtsgang ein und bretterte mit mir durch die Serpentinen, bis das Land wieder flacher wurde. Ich konnte wieder atmen, mein Puls verlangsamte sich, mir war nicht mehr schlecht und ich bekam etwas zu essen.

Ich dachte, es sei überstanden. Doch, wie so oft im Leben, kommt es anders, als man denkt. Die wirklichen Berge, Serpentinen und Höhen kamen noch. Ach ja, und der Canyon. Mir zog sich wieder alles zu. Ich kämpfte gegen die Panik an. Ich drückte sie runter und versuchte Herr der Lage zu werden. Nur irgendwann verließen mich die Kräfte.

Beim Blick aus dem Fenster fragte ich mich, wovor ich eigentlich Angst hatte. Oder warum. Plötzlich schoss mir ein Gedanke in den Kopf. Ich hatte kein Vertrauen. Ich hatte das Gefühl, wenn ich die Situation nicht kontrollierte, dann ging sie schief. Dann nähme ich Schaden. Ich hielt tatsächlich an diesem irrsinnigen Glauben fest, ich könnte irgendeinen Einfluss nehmen. Ich wollte diese Klinke partout nicht aus der Hand geben. Ich wollte entscheiden, wie es zu laufen hat.

Tja, kontrollieren Sie mal einen Berg. Oder das Leben. Ziemlich aussichtsloser Versuch, würde ich sagen...

Ich fing ein Zwiegespräch mit dem lieben Gott an. Obwohl, es war eher ein Monolog. Und ich bin nun wahrlich kein kirchentreuer Mensch. Aber wie das dann so ist in Ausnahmesituationen... Ich sagte: "Lieber Gott, ich gebe auf. Wenn das hier mein letzter Tag sein soll, dann ist das so. Ich gebe mich in deine Hände."

Ich atmete tief durch und plötzlich wurde es ganz ruhig in mir. Ich gab mich dem Geschehen hin und vertraute. Ich wurde neugierig, was passieren würde. Was folgte, war Frieden.

Ich sah zum ersten Mal die Berge.

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